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Bodenseefischerei

 

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Berufsfischer am Bodensee - Ein hartes Pflaster

 

Berufsfischerei Görtz

Im Kanton St. Gallen gibt es insgesamt 15 Berufsfischer. Einer davon ist Claudio Görtz, der im Jahr 1988 die Lehre zum Fischer abgeschlossen hat und seither in Altenrhein selbstständig seinem Beruf nachgeht. Der Beruf des Fischers hat dabei eine lange Tradition in seiner Familie: Während sein Vater nach Afrika ausgewandert ist und sich dort der Jagd gewidmet hat, waren sowohl sein Grossvater wie auch sein Urgrossvater als Berufsfischer tätig. Heute wird Claudio von Ehefrau Cornelia, die ebenfalls Inhaberin eines Berufsfischerpatentes ist, unterstützt. Der dadurch entstandene Familienbetrieb „Berufsfischerei Görtz“ kümmert sich sowohl um den Fang und die Verarbeitung wie auch den Verkauf der Fische. So gehen Claudio und Cornelia an vielen Tagen bereits um 4.00 Uhr morgens auf den See, denn es müssen diverse Stellnetze eingeholt werden. Danach werden die Fische in der hauseigenen Fischküche verarbeitet, filetiert und teilweise im selbstgebauten Räucherofen geräuchert. Der fertig verarbeitete Fisch wird dann an Fischrestaurants in der Region geliefert oder im Kühlschrank aufbewahrt, um ihn später direkt ab Haus zu verkaufen.

 

Ohne Leidenschaft geht’s nicht

Berufsfischer ist ein sehr traditioneller Beruf. Schon die Pfahlbauer im Bodensee betrieben Fischerei und der Beruf hat sich in den Tausenden von Jahren nur wenig verändert. Claudio arbeitet durchschnittlich 14 Stunden pro Tag und dies bei einem Durchschnittseinkommen von 34'000 Franken im Jahr. "Früher waren wir die Reichen, heute sind wir die Armen! Ich glaube, ein vernünftiger Mensch würde bei diesem Lohn den Bettel hinschmeissen und sich neu orientieren." Doch Claudio ist Fischer aus Leidenschaft, ein Leben ohne den Fischfang auf dem See kann er sich nicht vorstellen. Ein Glück, dass seine Familie voll hinter ihm steht und seine Frau Cornelia ihn tatkräftig unterstützt. Den beiden mangelt es auch nicht an innovativen Ideen. So hat Claudio seinen Räucherofen selber gebaut, um Geld zu sparen. Cornelia hingegen verfasste ein Kochbuch, das auf grossen Anklang gestossen ist und ging auch schon Zeitungen austragen, um das Einkommen zu vergrössern. Für Claudio steht dann auch fest: "In diesem Beruf musst du dir selber helfen, sonst bist du verloren!".

Die Berufsfischer sind zwar seit ein paar Jahren dem Landwirtschaftsverband angeschlossen, doch es fehlt weiterhin an Rückhalt und Unterstützung oder gar Ansehen. Es gibt auch keine Subventionen, wie dies die Bauern bekommen. "Da wir so etwas wie ein vergessener Zweig sind, wird sich unsere Situation kaum mehr bessern. Zudem fehlt uns die politische Lobby, wie sie beispielsweise die Bauern haben."

 

Beruf mit wenig Rechten

Selbst wenn man sich mit dem niedrigen Lohn abfinden kann; als Fischer hat man es nie leicht! Die gesetzlichen Vorschriften, deren Einhaltung rigoros kontrolliert wird, sind zahlreich und sehr streng. Werden sie nicht eingehalten, folgen Bussen in vierstelliger Höhe. Neben den Maschenweiten der Netze (beim Egli 28 bis 32; bei den Felchen 40 bis 44 Millimeter) sind auch so genannte Schonzeiten vorgeschrieben. Montags und samstags dürfen beispielsweise keine Felchen gefischt werden und im Winter darf frühestens eine Stunde vor Sonnenaufgang und nicht länger als eine Stunde nach Sonnenuntergang gefischt werden. "Wenn man gesetzliche Feiertage und Schonzeiten zusammenrechnet, so ergibt dies insgesamt drei Monate, an denen man nicht fischen darf. Und dann gibt es noch zwei bis drei Monate, an denen man nichts fängt. Kein Wunder, wenn man da mit den Zahlungen in Rückstand kommt."

Fischer – ein Beruf mit vielen Pflichten, aber wenig Rechten. Claudios Erwerbstätigkeit hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, die er nicht beeinflussen kann. Dennoch hat er kein Recht auf Erwerbsausfall, auch nicht, wenn das Stauseespülen im benachbarten Vorarlberg den ganzen Bodensee verschmutzt und die Fänge deshalb ausbleiben. Ein weiteres Problem sind die vielen Schiffe: Verirrt sich etwa ein Schiff abseits der bekannten Schifffahrtsrouten ins Gebiet der Fischer und zerreisst dabei ein Netz, hat der Fischer kein Recht auf Schadenersatz. Ebenso wenig hat er das Recht, auf festgelegte Fanggründe oder dazu Beschwerde einzulegen, wenn Sportfischer mit ihren Booten dort herumkurven, wo seine Netze liegen.

 

Importfische und Etikettenschwindel

Nicht nur der Fang, sondern auch der Verkauf der Fische gestaltet sich schwierig. Die Grossimporteure sind Claudio in vielen Bereichen überlegen. Sie können billiger sowie auf Bestellung liefern, was Claudio nicht kann: "Die Beizer müssten kommunizieren, dass heute beispielsweise keine Eglis, sondern nur Felchen gefangen wurden und somit auch nur Felchen angeboten werden können. Es gibt deshalb viele Restaurants am See, die von den einheimischen Fischern nichts abkaufen." Besonders störend für die einheimischen Fischer ist dabei, dass die Kunden durch Etikettenschwindel beeinflusst werden. Die Bezeichnung "Fisch vom Bodensee" bedeutet nämlich, dass der Fisch lediglich am Bodensee verpackt wurde.

Dasselbe im Laden: "Aus der Region, für die Region"; so heisst es in der Migros-Werbung. "Die haben doch keine Ahnung. Heute stammen mindestens 90% der Fische im Laden aus dem Import", ärgert sich Claudio.

Trotz den billigen Importfischen gelingt es Claudio heutzutage, alle Fische zu verkaufen. Er verkauft sie entweder direkt ab Haus oder liefert sie an Restaurants in der Umgebung. Viele sind zu Stammkunden geworden.

 

Fischen – ein Eingriff in die Natur?

Es gibt aber auch Menschen, denen die Fischerei im Bodensee sauer aufstösst und die der Meinung sind, Claudios Tätigkeit sei ein Eingriff in die Natur. Er lässt sich diesen Vorwurf jedoch nicht gefallen und findet klare Worte: "Schon die Pfahlbauer haben hier am Bodensee ihre Hütten gebaut und gefischt. Meine Vorfahren waren auch Fischer. Hat dies der Natur je geschadet? Auch ein Fischreiher tötet Fische und ernährt sich davon. Das gehört zur Natur und wir Menschen sind ein Teil davon. Fischen, ein Eingriff in die Natur? Fischen, das ist doch genau Natur." Claudio geht noch einen Schritt weiter: "Wir haben heute Fische mit männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen. Das alles, weil Abgase und Hormone in den See gelangen. Des Weiteren gibt es immer mehr Umweltkatastrophen, sauren Regen usw., weil wir durch unseren Lebensstil die Natur belasten – aber doch nicht, weil wir fischen." Claudio weiss, wovon er spricht. Auch er hat mit den sich negativ verändernden Umweltbedingungen zu kämpfen. Die Fische werden zum einen immer weniger, zum andern immer kleiner. Manche Fischarten sind schon so klein geworden, dass sie sich gar nicht mehr im Netz verfangen. Es liegt also auch in seinem Interesse, die Natur nicht negativ zu beeinflussen. Der Fischfang im Bodensee ist zudem so stark reglementiert, dass dies gar nicht möglich wäre (Schonzeiten!). Deutsche, Österreicher und Schweizer fischen alle auf dem gleichen See – und kontrollieren sich dabei gegenseitig! Claudio, der die strengen Vorschriften nicht ganz nachvollziehen kann, ist sich sicher: "Der Bodensee ist das bestkontrollierteste Gewässer auf der Welt." Claudio hat kein Verständnis für die Tier- und Naturschützer, die den Fischfang auf dem Bodensee abschaffen wollen: "Ich glaube nicht, dass an der Nordsee, wo die importierten Fische herkommen, auch solch strenge Regeln bezüglich fischen oder Abgaswerten von Schiffsmotoren gelten. Dazu kommen die langen Transportwege. Das ist ökologisch bedenklich! Wir Berufsfischer hier am Bodensee sorgen mit unserer nachhaltigen Bewirtschaftung des Sees dafür, dass nicht noch mehr dieser "unökologischen Fische" importiert werden."

Matthias Gass